22. Juni 2025
Bauen Sie Tools für Agenten – nicht Anwendungen mit KI
Der KI-Markt durchlebt gerade einen kritischen Wendepunkt. Während sich die meisten Investoren auf KI-Anwendungen stürzen, übersehen sie die wahren Gewinner der nächsten Dekade.
Das Goldrausch-Paradox wiederholt sich
Beim historischen Goldrausch wurden nicht die Goldschürfer reich – sondern jene, die Schaufeln, Spitzhacken und Ausrüstung verkauften. Heute erleben wir dasselbe Muster im KI-Sektor:
Die Goldschürfer
KI-Startups im Application Layer, die bestehende LLMs für spezifische Anwendungen nutzen
Die Werkzeughändler
Unternehmen, die Infrastruktur und Tools für KI-Systeme bereitstellen
Ein warnendes Beispiel: Als OpenAI die "Chat-with-PDF"-Funktion nativ in ChatGPT integrierte, verschwanden Dutzende Startups praktisch über Nacht, die exakt diese Anwendung als Geschäftsmodell hatten. Die nächsten werden vermutlich die "Notetaker-Apps" sein.
Warum Application-Layer-Investments riskant sind
Die fundamentale Schwäche des Application Layer liegt in der Abhängigkeit ohne Differenzierung:
1
Keine Kontrolle über die Kernfunktionalität
Modellanbieter können jede Anwendung mit einem Update obsolet machen
2
Schwache Verteidigungslinien
Keine nachhaltigen Wettbewerbsvorteile gegenüber den Modellbesitzern
3
Margin-Kompression
Zwischenhändler-Position mit steigenden API-Kosten und fallendem Kundennutzen
Die strategische Alternative: Tools für autonome Agenten
Die Zukunft gehört nicht den Anwendungen, die KI nutzen – sondern den Tools, die KI-Agenten ermöglichen.
Was macht ein "Agent-Tool" wertvoll?
Die stärksten Positionen entstehen durch Kombination mehrerer Faktoren:
Exklusiver Datenzugang
  • Proprietäre Datenbestände, die nicht öffentlich verfügbar sind
  • Echtzeit-Datenströme aus spezialisierten Sensoren oder Systemen
  • Branchenspezifische Wissensgraphen mit jahrelanger Kuratierung
Kritische Aktionsschnittstellen
  • APIs für geschäftskritische Operationen (Verträge, Transaktionen, Systemkonfiguration)
  • Kontrollierte Zugriffe auf sensible Unternehmenssysteme
  • Rechtlich compliant gestaltete Automatisierungsschnittstellen
Spezialisierte Compute-Services
  • OCR für domänenspezifische Dokumente
  • Validierungsengines für komplexe Regelwerke
  • Optimierte Klassifikationssysteme für Nischenbereiche
Persistente Kontext-Systeme
  • Datenbanken für Langzeit-Gedächtnis
  • Audit-Trails für nachvollziehbare Entscheidungsketten
  • State-Management für komplexe, mehrstufige Prozesse
Governance & Compliance
  • Eingebaute Berechtigungssysteme und Audit-Funktionen
  • Branchenspezifische Compliance-Frameworks
  • Explainable AI für regulatorische Anforderungen
Konkrete Entscheidungshilfen
Für IT-Abteilungen: Die interne KI-Strategie
Bauen Sie keine KI – bauen Sie die Voraussetzungen dafür.
Was Sie tun sollten:
  • MCP-Fassaden entwickeln: Investieren Sie gezielt in modulare Kontrollpunkte, über die externe und interne KI-Agenten Ihre Systeme orchestriert nutzen können – mit klar definierten Berechtigungen, Rückverfolgbarkeit und Sicherheitsarchitektur.
  • Agenten als Nutzer denken: Entwickeln nicht nur UI-Tools für Fachbereiche, sondern auch modulare Funktionen, die durch Agenten angesteuert werden können.
Was sich aktuell kaum lohnt:
  • Eigenes Modelltraining: Nur sinnvoll, wenn Sie über einzigartige, hochwertige Trainingsdaten verfügen oder regulatorische Anforderungen es erzwingen. Ansonsten überwiegen Aufwand, Wartung und Kosten.
  • Eigenes RAG- oder Agentic-Framework: Große Anbieter und OpenSource Frameworks liefern leistungsstarke, integrierte Lösungen. Die Chancen, hier dauerhaft eigene Differenzierung aufzubauen, sind gering.
Für Produktmanager – Fragen Sie sich:
  • Können KI-Agenten mein Produkt ohne menschliche Intervention nutzen?
  • Wird mein Produkt wertvoller, wenn KI-Systeme besser werden?
  • Habe ich einzigartige Daten oder Fähigkeiten, die Agenten benötigen?
Für CTOs – Priorisieren Sie:
  • API-Design für maschinelle Nutzung
  • Modulare Architekturen für flexible Agent-Integration
  • Sichere Automatisierungsschnittstellen
Für Investoren – Achten Sie auf:
  • Tools, die von Agenten benötigt, nicht nur genutzt werden
  • Unternehmen mit proprietären Daten oder Systemzugängen
  • Produkte, die mit besserer KI wertvoller statt obsolet werden
Fazit: Verkaufen Sie Schaufeln, graben Sie nicht selbst
Der KI-Boom wird weitergehen – aber die nachhaltige Wertschöpfung entsteht bei der Infrastruktur, nicht bei den Anwendungen. Investoren und Unternehmer, die heute Tools für die Agenten von morgen bauen, werden die wahren Gewinner dieser Transformation sein.
Die Goldgräber kommen und gehen. Die Werkzeughändler bleiben.