24. März 2025
Wird dein Produkt besser, wenn KI besser wird — oder überflüssig?
Wie Unternehmen und Start-ups die richtigen Use Cases für ihre KI-Strategie auswählen
Die strategische Kernfrage der KI-Entwicklung
Die technologische Entwicklung im Bereich Künstlicher Intelligenz schreitet rasant voran. Unternehmen, die in KI investieren, stehen vor einer strategischen Kernfrage: Führt technischer Fortschritt dazu, dass der gewählte Use Case wertvoller wird — oder ersetzt er ihn?
Das Beispiel der „Chat-with-your-PDF"-Start-ups zeigt, wie schnell selbst gut umgesetzte Lösungen überholt sein können, wenn große Plattformanbieter ähnliche Funktionen mit größerem Kontext, RAG-Komponenten und nahtloser Integration anbieten. Der Unterschied liegt oft nicht in der technischen Umsetzung, sondern in der Struktur des Use Cases selbst.
„Wenn bessere KI dein Produkt schlechter oder überflüssig macht, baust du das Falsche. Wir werden dich überrollen."
— OpenAI-CEO Sam Altman
Um dieser Dynamik zu begegnen, sollten Unternehmen bei der Auswahl von KI-Use-Cases auf folgende Aspekte achten:
Technologischer Hebel: Wird der Use Case stärker, wenn die KI besser wird?
Ein Anwendungsfall ist besonders zukunftsfähig, wenn er mit jeder neuen Modellgeneration automatisch leistungsfähiger wird. Genau das ist bei sogenannten agentischen Use Cases der Fall — also Anwendungen, in denen die KI, auch in kleinen Schritten, eigenständig Entscheidungen trifft: bei Priorisierungen, Klassifikationen, Zuordnungen oder Risikoabschätzungen.

Hebt Jede Steigerung der Modellqualität automatisch die Wertschöpfung?
Das bedeutet nicht, dass die KI sofort „das Steuer übernehmen" sollte — gerade in regulierten, sicherheitskritischen oder hochkomplexen Umgebungen ist eine kontrollierte, schrittweise Einführung essenziell. Aber: Die technische Architektur sollte so offen gestaltet sein, dass eine zunehmende Aufgabenverlagerung Richtung KI möglich ist, sobald Vertrauen und Robustheit vorhanden sind.
Ein hilfreiches Modell zur Einordnung stammt von Ramp und unterscheidet drei Entwicklungsstufen:
Die drei Entwicklungsstufen der KI-Integration
01
Over-Engineered Code
Rein deterministische Software, vollständig durch Entwickler definiert. Keine KI-Integration, keine Flexibilität. Änderungen im Ablauf erfordern neue Regeln oder Codeanpassungen.
02
Constrained Agent
Kombination aus klassischer Software und punktuell eingebetteter KI. Die KI übernimmt einzelne Teilaufgaben, bleibt aber strikt eingebettet in menschlich definierte Abläufe. Vorteil: kontrollierbar. Nachteil: begrenzt skalierbar und wenig adaptiv.
03
Agentisch
Die KI erhält ein Ziel — und wählt selbstständig den Weg dorthin. Menschlicher Code definiert Rahmenbedingungen oder Werkzeuge. Diese Architektur erlaubt maximale Wirkung, erfordert aber mehr Vertrauen und Absicherung.

Entscheidend ist: Ob ein Use Case in Richtung „Agentic" ausgebaut werden kann, wird seine Zukunftsfähigkeit bestimmen.
Wiederkehrende Entscheidungen: Ersetzt die KI echte menschliche Urteile?
Die wirkungsvollsten KI-Anwendungen liegen dort, wo Menschen heute regelmäßig Entscheidungen unter Unsicherheit treffen — also nicht nach festen Regeln, sondern abhängig von Kontext, Erfahrungswerten oder Intuition.
Beispiele:
Vorqualifikation von Versicherungsansprüchen
Betrugserkennung in Finanztransaktionen
Dynamische Preisgestaltung im E-Commerce
Diese Anwendungsfälle erzeugen echten wirtschaftlichen Nutzen — und bieten klare Anknüpfungspunkte für agentisches Vorgehen, auch wenn der Einstieg zunächst mit beschränkter Autonomie erfolgt.
Weitere kritische Erfolgsfaktoren
Reales Problem statt technischer Spielerei
Ein technisches Showcase ist noch kein Business Case. Erfolgreiche KI-Projekte adressieren echte Engpässe: Skalierung, Geschwindigkeit, Personalknappheit, Fehlerreduktion. Was hingegen keine spürbare Verbesserung bringt oder kaum in bestehende Abläufe passt, bleibt Spielerei — unabhängig von der Modellgüte.
Feedbackfähigkeit: Gibt es Rückkopplungsschleifen für kontinuierliches Lernen?
KI-Systeme müssen lernen dürfen. Nur wenn es Rückmeldungen gibt — sei es durch Nutzerverhalten, Korrekturen oder klare Erfolgsmetriken –, entsteht ein echter Lernprozess. Gute Use Cases sind von Anfang an so aufgebaut, dass sie regelmäßig Feedback erhalten und sich kontinuierlich verbessern können.
Strategische Abgrenzung: Ist das Geschäftsmodell replizierbar?
Eine Anwendung, die lediglich ein Wrapper um ein öffentliches Modell ist, ist angreifbar. Nur durch eigene Daten, spezielle Integrationen, Domänenwissen oder tiefe Prozessverankerung entsteht Differenzierung.

Nur Use Cases mit Alleinstellungsmerkmal haben Bestand
.
Fazit: Bauen Sie für das, was kommt — nicht für das, was war
In einer Welt, in der KI-Modelle exponentiell besser werden, stellt sich nicht mehr nur die Frage:
„Wo können wir KI einsetzen?"
Sondern vor allem:
„Welche KI-Use Cases gewinnen automatisch an Wert, wenn die Technologie sich weiterentwickelt?"
Wer frühzeitig in solche Anwendungsfälle investiert, baut mit jeder Modellgeneration auf einer solideren Basis — und muss nicht ständig neu erfinden, nur weil sich die Rahmenbedingungen ändern.